Der Jurist Joachim Walter ist nicht nur langjähriger Landrat des Landkreises Tübingen und Vizepräsident des Deutschen Landkreistages, sondern auch Mitglied im DSGV-Gesamtvorstand. Als Kommunalpolitiker ist er unmittelbar in die vielfältigen Veränderungsprozesse eingebunden. Daher kann er pointiert zur lokal erforderlichen sozial-ökologischen Transformation und der Rolle der Sparkassen Stellung nehmen.
Herr Walter, was sind die aktuellen Herausforderungen für Ihren Landkreis und für die Landkreise in Deutschland generell?
Die Landkreise kommen nun schon seit Jahren aus dem Krisenmodus nicht mehr raus. Das begann 2015 mit den Geflüchteten, die von kommunaler Seite nicht nur untergebracht, sondern am Ende auch integriert werden müssen. Es ging weiter mit der Corona-Pandemie, deren Folgen etwa im Gesundheitswesen sowie insbesondere im Bereich der Jugendhilfe nach wie vor sehr präsent sind. Darauf folgte der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine – begleitet von Energiekrise, Inflation und wirtschaftlichem Abschwung. Schließlich noch der durch den Angriff der Hamas ausgelöste Krieg im Gazastreifen, der in seiner Fernwirkung auch unsere hiesige Gesellschaft herausfordert. Gleichzeitig befinden sich die Landkreise inmitten mehrerer Transformationsprozesse, die gerne mit den drei großen D umschrieben werden: Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischer Wandel fordern sie massiv. Diese Gleichzeitigkeit multipler Krisen und einer prall gefüllten Zukunftsagenda führt aufseiten der Landkreise zu einer Aufgabenfülle, die sich – zumal in Zeiten knapper finanzieller und vor allem auch personeller Ressourcen – schier nicht mehr bewältigen lässt. Bund und Land müssen daher die Aufgabendichte und -tiefe auf kommunaler Ebene durch eine kritische Überprüfung möglichst reduzieren.
Für eine nachhaltige Zukunft brauchen wir eine sozial-ökologische Transformation in der Gesellschaft. Wie tragen die Landkreise auch auf regional-kommunaler Ebene zu sozialer Teilhabe und einer lebenswerten Umwelt jetzt schon bei?
Die Landkreise sind ohne jeden Zweifel zentrale Akteure, wenn es darum geht, die sozialen und ökologischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte zu meistern. Als Sozialstaat vor Ort setzen sie sich dafür ein, dass Eigenverantwortung und Solidarität für soziale Teilhabe in ein gutes Gleichgewicht gebracht werden. Und auch in ökologischer Hinsicht sehen sich die Landkreise als Zukunftsmacher. Im staatlichen Bereich treiben sie als untere Immissionsschutzbehörden den Ausbau von Windkraftanlagen voran und kümmern sich als untere Naturschutzbehörden um den Erhalt der Biodiversität. Kommunal sorgen sie für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und einen funktionierenden ÖPNV, um nur einige Beispiele zu nennen. Sozial-ökologische Transformation ist in den Kreisen keine abstrakte politische Botschaft, sondern gelebte Praxis.
Welche Unterstützung muss dazu idealerweise vom Land oder auch vom Bund kommen?
Ich denke, man muss sich ehrlich machen. Derzeit fehlen uns nicht nur die finanziellen Mittel, sondern vor allem auch Fach- und Arbeitskräfte, um unter den gegebenen Rahmenbedingungen die überfälligen Transformationen tatsächlich erfolgreich voranzutreiben. Wir sind einfach zu schwerfällig, zu überreguliert und zu wenig fokussiert. Die Politik in Bund und Land muss daher vor allem eines leisten: Durch die systematische Hintanstellung von womöglich sinnvollen, aber eben nicht zwingend erforderlichen Aufgaben und den konsequenten Abbau entbehrlicher Standards muss den Kommunen wieder der Gestaltungsspielraum zurückgegeben werden, den sie benötigen, um bei den Zukunftsthemen wirklich voranzukommen.
Welche Rolle können Sparkassen im Rahmen ihres öffentlichen Auftrags bei der Umsetzung der sozial-ökologischen Transformation spielen?
Sparkassen sind ein wichtiger Motor der Transformation in den Kommunen. Ihr Geschäftsmodell aus der Region für die Region ist ein Stabilitätsanker. Spenden, Stiftungen und Sponsoring der Sparkassen sind für die Arbeit in Kultur, in der Kunst, im Sozialen und in den Vereinen enorm wichtig. Zudem sind Sparkassen und ihre Verbundpartner der wichtigste Finanzpartner bei der Transformation des Mittelstands und der privaten Haushalte. Und auch die Kommunen brauchen einen solchen Partner an ihrer Seite, der über den Kommunalkredit hinaus Finanzmittel aufbringen kann.
Findet in diesem Zusammenhang auch schon eine Zusammenarbeit zwischen Landratsamt und Sparkassen in Ihrem Landkreis statt und wie läuft sie ab? Können Sie Beispiele von Projekten nennen?
Ja, auf jeden Fall, in ganz verschiedenen Bereichen und Projekten. Unsere beiden Institutionen haben einen Auftrag, für die Menschen im Landkreis da zu sein. Wir sind hier sehr dankbar für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unserer Kreissparkasse Tübingen, beispielsweise bei der Unterstützung ehrenamtlicher Strukturen oder der Versorgung von Geflüchteten, für deren Aufnahme der Landkreis zuständig ist. Hier ermöglicht die Kreissparkasse – im Gegensatz zu vielen anderen Banken – die Einrichtung von Konten, was deutlich weniger Verwaltungsaufwand bedeutet.