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»Sparkassen sind bei Nachhaltigkeit in der Poleposition«

Das geschäftsführende Vorstandsmitglied im DSGV, Karolin Schriever, im Interview.

Karolin Schriever

Energiemangel, Inflation, drohende Rezession: Die Herausforderungen sind 2022 nicht weniger geworden und drohen das eigentliche Thema nachhaltige Transformation zu verdrängen. Im Interview nimmt Karolin Schriever Stellung zu ihren eigenen Ambitionen und der Rolle der Sparkassen im Spannungsfeld zwischen Nachhaltigkeit und Regulierung.

Frau Schriever, Sie sind im September 2022 von KPMG in die Führung des DSGV gewechselt. Was sind Ihre Ambitionen und Ihre Ziele?

Mir liegt besonders daran, meinen Beitrag für die Zukunft der Sparkassen zu leisten. Die Frage ist doch: Welche Weichenstellungen müssen wir jetzt vornehmen, damit wir auch in zehn Jahren noch genauso relevant sind für unsere Kundinnen und Kunden, die Realwirtschaft und die Gesellschaft, wie das heute der Fall ist.

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit der Sparkassen-Idee den Schlüssel dafür haben. Schon während meiner langjährigen Tätigkeit als Wirtschaftsprüferin habe ich mich immer der Sparkassen-Finanzgruppe und ihren Werten verbunden gefühlt. Den Anfang meines Berufslebens habe ich bei der Sparkasse Werl gemacht, ganz klassisch als Bankkauffrau. So hat sich dann auch mein Einzug in die Geschäftsführung des DSGV wie ein echtes »Homecoming« angefühlt.

Wir befinden uns in einer Zeit multipler Krisen, die eine Vielzahl an Herausforderungen mit sich bringen. Was bedeutet das für den DSGV und die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe?

Die vielen krisenhaften Entwicklungen der vergangenen Jahre und auch der schreckliche Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zeigen, dass es für Sicherheit, Frieden und wirtschaftliche Stabilität leider keine Garantie gibt. Sie stellen sich nicht praktisch von allein ein. Stattdessen ist ständiger Einsatz nötig, um sie zu erhalten. Die Sparkassen-Finanzgruppe hat hier vieles geleistet. Nur zwei Beispiele: Während der Corona-Pandemie haben wir den Großteil der KfW-Hilfskredite an Selbstständige und an kleine und mittlere Unternehmen vermittelt. In den Monaten nach Kriegsbeginn haben wir unbürokratisch Hunderttausende von Konten für Geflüchtete aus der Ukraine eröffnet.

Möglicher Energiemangel, Inflation mit drohender Rezession, Preis- und Zinsanstiege: Angesichts der damit verbundenen Unsicherheiten ist es für die Menschen besonders schwierig, den eigentlich erforderlichen Wandel zum nachhaltigen Wirtschaften zu meistern. Denn er erfordert auch enorme finanzielle Mittel und Investitionen. Wie unterstützen die Sparkassen und ihre Verbundpartner sowohl ihre mittelständischen als auch privaten Kunden bei diesem Transformationsprozess?

Die Sparkassen-Finanzgruppe ist die größte ökonomische Kraft in der deutschen Finanzwirtschaft. Diese Rolle und Marktstellung verpflichtet uns dazu, Verantwortung zu tragen. Deshalb sind wir nicht nur bloße Geldgeber für unsere Kundinnen und Kunden, sondern Ratgeber auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit.

Bei Privatkunden gibt es da etwa das wichtige Thema der energetischen Sanierung, bei der wir ein Gesamtangebot von der Energieanalyse bis zur Finanzierung und Vermittlung von Handwerkern entwickeln.

Viele unserer mittelständischen Unternehmenskunden beschäftigen sich damit, wie sie aus manchem »braunen« Geschäftsmodell ein »grünes« machen. Auch hier sind wir Ratgeber. Zum Beispiel wenn es darum geht, ihre Aktivitäten entlang der drei ESG-Kriterien – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – zu bewerten.

Das Thema Nachhaltigkeit liegt Ihnen neben der Regulierung besonders am Herzen. Warum ist Nachhaltigkeit für die Sparkassen-Finanzgruppe so entscheidend und warum sind gerade Sparkassen prädestiniert dafür?

Sparkassen sind in der Poleposition, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Sparkassen haben ein auf Ewigkeit und Substanzerhalt angelegtes Unternehmenskonzept, eine dazu passende, stiftungsähnliche Rechtsstruktur – und eine demokratische Legitimation.

Die Regulierung wird immer kleinteiliger, die Bürokratie nimmt stetig zu statt ab: Wie könnte eine »smarte« Regulierung aussehen und wie können Aufsicht und Politik dabei unterstützen?

Die Fälle von Bankenpleiten in den USA haben eines sehr deutlich gezeigt: Eine verhältnismäßige, proportionale Regulierung erreicht man nicht durch blinde Ausnahmen bei den Anforderungen an Kapitalausstattung und Liquidität. So etwas hat die Sparkassen-Finanzgruppe auch nie gefordert.

Das Aufsichtsregime nach Basel III wird in der Europäischen Union von jedem Institut angewandt, ob groß oder klein. Leider verfolgt die Aufsicht dabei auch die Idee, die Bankenwelt sei immer und überall gleich. Tatsächlich aber werden gerade kleine Institute durch die zunehmenden Fixkosten der Regulatorik benachteiligt. Es ist wichtig, dass wir uns 15 Jahre nach der Lehman-Pleite endlich von »too big to fail« entfernen. Kleinen und mittleren Instituten darf aber durch überbordende Auflagen nicht die Luft zum Atmen genommen werden. Deshalb setzen wir uns mit Nachdruck in Brüssel, Paris und Frankfurt dafür ein, dass der eingeschlagene Weg des Abbaus von Redundanzen und der Integration des Meldewesens weiterverfolgt wird.

Karolin Schriever
Karolin Schriever ist seit September 2022 in der Nachfolge von Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis Teil des dreiköpfigen DSGV-Vorstandes. Die Regulierungsexpertin verantwortet bei dem Verband das Dezernat A – Wirtschaft, Politik und Bankensteuerung.
»Unsere Rolle und Marktstellung verpflichten uns dazu, Verantwortung zu tragen.«
Karolin Schriever
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied im DSGV

Wie schätzen Sie die Zukunft der Sparkassen ein? Wie sollen sie sich am besten aufstellen, um auch künftig noch genügend Relevanz in unserer Gesellschaft zu haben?

Ich sehe für die Sparkassen eine Zukunft mit vielen Chancen. Sparkasse ist Nachhaltigkeit – im wirtschaftlichen, im ökologischen und im sozialen Sinne. Wenn die Sparkassen diesen Weg der Nachhaltigkeit konsequent beschreiten, dann bauen sie ihre Relevanz sogar aus. Natürlich wächst aus der Geschichte allein keine Legitimation für die Zukunft. Die nächsten 250 Jahre Sparkasse werden so geschaffen wie die letzten 250 Jahre: durch stetige Veränderung.