Mit Wero als zentraler Baustein ist in Europa eine neue umfassende Bezahllösung verfügbar. Im Interview stellt Dr. Joachim Schmalzl die Strategie der dafür verantwortlichen European Payments Initiative (EPI) vor und beleuchtet die künftige Rolle von Wero im europäischen Zahlungsverkehr und im Zusammenhang mit dem von der EZB geplanten digitalen Euro.
Herr Dr. Schmalzl, E-Commerce bleibt ein herausforderndes Thema für die Sparkassen-Finanzgruppe: Wo stehen wir hier aktuell mithilfe der European Payment Initiative und ihrer Wallet-Lösung Wero und wo wollen wir hin?
Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen kanalübergreifend ein und bezahlen zunehmend immer mehr über die Landesgrenze hinaus. Sei es im Ausland, zum Beispiel auf Reisen, oder im internationalen E-Commerce. Dieser Wandel im Zahlungsverkehr ist nicht nur dynamisch, sondern hat sich beschleunigt. Mit unserer Zahlungsverkehrsstrategie haben wir in den vergangenen Monaten wichtige Weichen gestellt und sind gut für diese Dynamik gerüstet.
Die European Payments Initiative (EPI) spielt dabei eine entscheidende Rolle. Gemeinsam mit anderen europäischen Banken entwickeln wir mit Wero eine echte europäische Alternative zum internationalen Zahlungsverkehr.
Mit dem Start von Peer-2-Peer Payments haben wir den Grundstein gelegt, um Transaktionen in Echtzeit zwischen zwei Parteien auszuführen. Im E-Commerce geht es im Grunde um nichts anderes. Jetzt geht es darum, die für die Einführung im E-Commerce erforderlichen Schnittstellen und Systeme vorzubereiten. Anders gesagt: Wir haben das Fundament gelegt, nun bauen wir das Haus weiter aus.
Wie sehen Sie die Marktchancen für Wero, das sich ja gegen starke internationale Zahlungsanbieter wie Visa oder Paypal behaupten muss?
Unser Ziel ist es nicht, uns gegen Marktbegleiter zu behaupten, sondern den Anforderungen unserer Kunden und Kundinnen im Zahlungsverkehr gerecht zu werden. Gerade im Bereich des Zahlungsverkehrs entscheiden sich Konsumenten und Konsumentinnen bei jeder Transaktion neu. Da Wero im Gegensatz zu Paypal nicht nur für den E-Commerce konzipiert ist, liegt hier eine große Chance, da Wero auf allen Kanälen – online und stationär im Einzelhandel – angeboten wird.
Die Banken und Sparkassen, die zur Initiative hinter Wero gehören, bringen schon im ersten Jahr 120 Millionen Menschen in Europa finanziell zusammen. Und es werden noch weitere Institute dazukommen.
Für den Handel ist das eine spannende Ausgangssituation, denn Wero ist nicht nur günstiger, sondern bietet potenziell Zugang zu allen Menschen in Deutschland, die Online-Banking machen. Und das ist die Mehrheit.
Da Wero direkt mit dem Girokonto verknüpft ist, ist keine weitere Anwendung, kein weiteres Konto und kein neuer Onboarding-Prozess erforderlich. Wero ist ein integraler Bestandteil des Kontos und kann über alle Kanäle hinweg genutzt werden.
Warum sollte ein Kunde von Wettbewerbern zu Wero wechseln?
Zahlungsverkehr darf man nicht eindimensional betrachten. Kunden haben im Portemonnaie ja auch Bargeld, eine Girocard und vielleicht noch eine Kreditkarte. Vor dem Hintergrund, dass Banken, insbesondere die Sparkassen, ein großes Vertrauen genießen, ist Wero, das direkt mit dem Girokonto verknüpft ist, eine attraktive Bezahllösung. Und es wird ein Zahlverfahren für alle Vorgänge sein. Viele Wege führen bekanntlich nach Rom. Einer davon ist jetzt Wero, und dieser Weg – da sind wir uns sicher – ist einer der attraktivsten.
Welche Begleitkommunikation ist zur Markteinführung von Wero vorgesehen?
In erster Linie geht es darum, Wero als Produkt einzuführen. EPI hat dazu einen Maßnahmenkatalog entwickelt, um Wero in der Breite bekannt zu machen. Darüber hinaus hat jede Bank eigene kommunikative Maßnahmen geplant, was natürlich auch für die Sparkassen gilt. Die Kundeninnen und Kunden der Sparkasse werden beispielsweise innerhalb der App Sparkasse auf den Start von Wero aufmerksam gemacht und mit wero-wallet.eu gibt es eine dedizierte Landingpage. Natürlich wird Wero auch in den sozialen Kanälen vermarktet.
EU und EZB wollen 2027 einen digitalen Euro einführen. Wie passen diese Digitalwährung und Sparkassen-Payment bzw. EPI zusammen?
Noch befindet sich der digitale Euro in der Entwicklung und die Ausgestaltung durch die EZB ist noch nicht abgeschlossen. Trotzdem arbeiten wir daran, dass der digitale Euro für unsere Kunden nutzenstiftend umgesetzt wird. Wero wird vor dem digitalen Euro eingeführt und damit auch in der Nutzung verfügbar sein. Welche Auswirkungen der digitale Euro auf den Zahlungsverkehr und damit auch auf Wero haben wird, ist noch Gegenstand der Diskussion. Es spricht jedoch nichts dagegen, den digitalen Euro auch in Wero nutzbar zu machen. EPI könnte auch dazu beitragen, die Akzeptanz des digitalen Euro im Handel zu realisieren. Selbst wenn der digitale Euro nicht Teil des Wero-Netzes werden sollte, spricht für den Handel vieles für die Nutzung von Wero.
Und das aus gutem Grund, denn der digitale Euro bietet ja nur die einfachste Form des Bezahlens an. Dinge wie BNPL, also „buy now, pay later“, wiederkehrende Zahlungen, Zahlungsreservierung, Käuferschutz, Loyalität und vieles mehr sind Themen, die der digitale Euro nicht bietet, die aber den Zahlungsverkehr erst interessant machen.
Dennoch ist ein integraler und komplementärer Ansatz zwischen digitalem Euro und EPI wünschens- und erstrebenswert.
Sie sehen den digitalen Euro kritisch – warum?
Wir sehen die aktuellen Pläne zum digitalen Euro kritisch. Grundsätzlich unterstützen wir jede Stärkung des europäischen Zahlungsverkehrs und der europäischen Souveränität uneingeschränkt. Insofern ist der digitale Euro im Sinne von digitalem Zentralbankgeld eine gute Idee. Die von der EZB bisher angedachte Umsetzung würde einen nicht ganz unkritischen Eingriff in den Zahlungsverkehr darstellen. Wir werben daher für mehr Kooperation und verstehen uns als kritisch konstruktiv gegenüber dem Eurosystem.
So ist die aktuell seitens der EZB angedachte Ausgestaltung des digitalen Euros so komplex, dass in der Sparkassen-Finanzgruppe – und Gleiches dürfte auch für die anderen Bankengruppen gelten – über einen längeren Zeitraum keine neuen Innovationen oder Weiterentwicklungen bestehender Produkte und Lösungen im strategischen Geschäftsfeld Payment beauftragt werden können. Das würde nur die internationalen Wettbewerber stärken, die sich in der Zeit nicht um den digitalen Euro kümmern müssen. Stattdessen sehen wir Möglichkeiten in der Nutzung bestehender europäischer Lösungen und moderner Infrastrukturen sowie die Fokussierung auf tatsächlich Mehrwerte generierende Funktionalitäten eines digitalen Euros.
Ansonsten droht ein Szenario, dass ein komplexer teurer digitaler Euro Doppelstrukturen schafft und nur minimal nachgefragt wird. Dies schwächt am Ende die europäische Souveränität im Zahlungsverkehr, statt sie zu stärken.
Welche konzeptionellen Vorbehalte haben die Banken generell gegenüber dem digitalen Euro oder anders gefragt: Wie müsste er ausgestaltet sein, damit er funktioniert?
Die Attraktivität des digitalen Euros muss noch deutlich verbessert werden. In der aktuellen Ausgestaltung wird die Umsetzung für den Konsumenten lediglich die Bereitstellung eines weiteren Zahlverfahrens mit geringer Marktadoption im bereits heute großen Angebot diverser Zahlverfahren werden. Gleichzeitig wären die bereits erwähnten Implementierungs- und Infrastrukturkosten für Zahlungsdienstleister und Banken so hoch, dass das Projekt die Innovationsfähigkeit des europäischen Finanzsektors schwächen würde. Wir setzen uns daher dafür ein, dass der digitale Euro für alle Akteure, also Konsumenten, Händler, Zahlungsdienstleister und Banken, gleichermaßen attraktiv ausgestaltet wird. Dafür sind allerdings noch wesentliche Fortschritte u. a. im Wertversprechen für die Endkunden, im Pricing für Händler sowie beim Vergütungsmodell für die Zahlungsdienstleister und Banken notwendig.
Welche Rolle können die Sparkassen beim digitalen Euro spielen und wie sehen mögliche
Kooperationsansätze mit der EZB aus?
Viele der nachgefragten Erfolgsfaktoren für den digitalen Euro seitens der Endkunden wie zum Beispiel Käuferschutz, Bonusprogramme und BNPL sind nur in einer Kooperation mit der Privatwirtschaft darstellbar – ohne diese wird der digitale Euro zu einer reinen Back-up-Lösung werden. Entsprechend ist es im Interesse der EZB wie auch der Kreditwirtschaft, den digitalen Euro so auszugestalten, dass er für alle Seiten ein Erfolgsprojekt wird.
Zudem sollte die gemeinsame Suche nach Synergien mit bestehenden und neu geschaffenen Lösungen und Infrastrukturen wie zum Beispiel EPI / Wero oder eID, also der elektronischen Identifizierung, gestärkt werden. Integration der komplementären Stärken mit EPI als potenziellem Lizenznehmer der EZB würde auf der einen Seite teure Doppelstrukturen verhindern und könnte den digitalen Euro zu einer großen Akzeptanz direkt zum Marktstart gewährleisten.
Verbinden Sie auch Vorteile mit dem digitalen Euro für die Menschen allgemein und im Speziellen für Unternehmenskunden?
Für den privaten Endkunden wäre der digitale Euro eine direkte Verbindlichkeit der EZB und neben dem Euro-Bargeld ein weiteres gesetzliches Zahlungsmittel. Zudem wären bestimmte Kerndienstleistungen – dazu zählen u. a. Kontoführung, Aufladen und Entladen sowie die Ausführung von Transaktionen – nach aktuellem Gesetzesentwurf kostenlos. Den Verbrauchern wäre es demnach auch möglich, im stationären Handel sowie im E-Commerce zu bezahlen. Für Unternehmenskunden und ihre Zahlungen untereinander, also den sogenannten B2B-Anwendungsfall, ist der digitale Euro bisher nicht vorgesehen.
Erwarten Sie mit der Einführung des digitalen Euros auch die baldige Abschaffung des Bargelds?
Nein. Davon ist nicht auszugehen und dies würden wir als Sparkassen-Finanzgruppe keinesfalls unterstützen. Der digitale Euro soll Bargeld ergänzen, aber nicht ersetzen. Trotzdem kann die Einführung des digitalen Euros zum Teil als eine Reaktion der Zentralbanken auf veränderte Kundenbedürfnisse und Rückgang des Bedarfs an physischem Bargeld gesehen werden. Gemessen am Umsatz werden zwar immer noch 30 % aller Zahlungen mit Bargeld durchgeführt. Die Nachfrage nach Bargeld bei Transaktionen in Deutschland nimmt allerdings ab. Da ist es sinnvoll und richtig, dass sich die Zentralbanken mit Antworten auf solche Trends beschäftigen.
Auch für die Sparkassen bleibt die Bargeldversorgung eine Kerndienstleistung. 90 % unserer Kundinnen und Kunden brauchen nur knapp über sechs Minuten zu Fuß oder mit dem Auto, um zum nächsten Sparkassen-Geldautomaten zu kommen. Drei Viertel unserer Kundinnen und Kunden benötigt nicht mehr als vier Minuten und die Hälfte sogar nur zweieinhalb Minuten zum nächsten Automaten.